BOURNE VERMÄCHTNIS, DAS | The Bourne Legacy
Filmische Qualität:   
Regie: Tony Gilroy
Darsteller: Jeremy Renner, Rachel Weisz, Edward Norton, Stacy Keach, Oscar Isaac, Joan Allen, Albert Finney, David Strathairn, Scott Glenn, Corey Stoll
Land, Jahr: USA 2012
Laufzeit: 134 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +
im Kino: 9/2012


José García
Foto: Universal

Mit Jason Bourne schuf Robert Ludlum (1927–2001) eine Figur aus der Welt der Geheimdienste, die James Bond in nichts nachsteht. Basierend auf Ludlums Romanen entstanden drei Spielfilme, „Die Bourne Identität“ (2001), „Die Bourne Verschwörung“ (2004) und „Das Bourne Ultimatum“ (2007), die das Genre des Agententhrillers neu belebten und nebenbei einige der am besten inszenierten Action-Sequenzen der letzten Jahre enthielten. Im Laufe dieser drei Filme wurde deutlich, dass der von Matt Damon verkörperte Jason Bourne zu einer geheimen Abteilung des amerikanischen Geheimdienstes namens „Tread- stone“ gehörte, deren Mitglieder mit hartem Training zu regelrechten „Killer-Maschinen“ ausgebildet wurden. Am Ende des dritten Bourne-Filmes entlarvte der Spezialagent selbst das Treadstone-Programm, womit die ganze Bourne-Geschichte eigentlich als abgeschlossen galt. Das meinten ebenfalls sowohl Hauptdarsteller Matt Damon als auch der Regisseur des zweiten und dritten Teiles der Bourne-Reihe Paul Greengrass. Weil aber alle drei Filme weltweit fast eine Milliarde Dollar eingenommen haben, entschied sich Universal trotzdem dazu, auch ohne Damon und Greengrass einen vierten Bourne-Film zu drehen: „Das Bourne Vermächtnis“ („The Bourne Legacy“). Regie führt nun Tony Gilroy, der bei allen Bourne-Filmen das Drehbuch (mit) verfasst hatte. Von der Belastung, eine Bourne-Geschichte ohne Jason Bourne zu erzählen, erholt sich der vierte Bourne-Film freilich kaum.

Hauptfigur in „Das Bourne Vermächtnis“ ist Aaron Cross (Jeremy Renner), der in Alaska ein Extrem-Überlebenstraining absolviert. Um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, muss der ehemalige Soldat allerdings regelmäßig grüne und blaue Tabletten einnehmen. Parallel dazu entscheidet in Virginia CIA-Agent Byer (Edward Norton), nach den Enthüllungen von Jason Bourne auch das nachfolgende, sogenannte „Outcome“-Programm zu stoppen, zu dem offenbar auch Aaron Cross gehört. Wie sich Byer dieses „Stoppen“ vorstellt, verdeutlichen drei kurze Sequenzen mit Agenten, die auf verschiedenen Erdteilen mithilfe von dreieckigen Tabletten von der Organisation selbst eliminiert werden. Auf Cross lässt Byer von einer ferngesteuerten Drohne eine Rakete abfeuern, aber der Agent überlebt den Anschlag. Weil seine Tablettenreserve dem Ende zuneigt, sucht er die für seine medizinische Betreuung zuständige Wissenschaftlerin Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz) auf – just in dem Augenblick, als sie ebenfalls von einem CIA-Kommando aus dem Verkehr gezogen werden soll. Die beiden machen sich gemeinsam auf die Suche nach dem Grundstoff für seine Medikation, ohne die Aaron Cross nicht mehr leben kann. Dieser befindet sich allerdings in einem Labor in Manila.

„Das Bourne Vermächtnis“ stellt immer wieder den Bezug zum vorherigen Film „Das Bourne Ultimatum“ her, indem Fahndungsfotos von Jason Bourne oder einfach kurze Szenen aus diesem Film eingestreut werden. Dadurch wird zwar die Gleichzeitigkeit zum dritten Bourne-Film suggeriert. Damit setzt er jedoch auch über Gebühr auf das Vorwissen des Zuschauers – wer die vorherigen Bourne-Filme nicht kennt, wird sich in „Das Bourne Ultimatum“ kaum zurechtfinden. Dramaturgisch lehnt sich der neue Film an den ersten Bourne-Film an: Wie damals Matt Damon und Franka Potente reisen nun Jeremy Renner und Rachel Weisz durch die halbe Welt auf der Flucht vor den Agenten aus dem eigenen Lager. Sogar die Rückblenden mit Cross Rekrutierung für das „Outcome“-Programm gleichen den entsprechenden Szenen in „Die Bourne Identität“. Deshalb wirkt insbesondere die erste Filmhälfte ermüdend, weil eine Figur etabliert werden soll, die eigentlich längst bekannt ist, ehe sie eine im Grunde ebenfalls bekannte Handlung voranbringt. Erst in der zweiten Filmhälfte kommen die Actionfans mit den rasant inszenierten Verfolgungsjagden auf ihre Kosten. Obwohl deren Herzstück eine fast 30-minütige wilde Verfolgung zunächst über den Dächern, dann auf den Straßen von Manila ist, verzichtet Regisseur Tony Gilroy keineswegs auf den Nahkampf mit einem gegenüber den früheren Bourne-Filmen gesteigerten Realismus.

Wirklich neu ist in „Das Bourne Vermächtnis“ lediglich das Sujet der biologischen Versuche, mit denen die Agenten „aufgebessert“ werden sollen. Wurde Jason Bourne einfach durch Training auf seine speziellen Aufgaben vorbereitet, so werden Aaron Cross und die anderen Agenten aus der „Outcome“-Abteilung als regelrechte Versuchskaninchen behandelt, um durch genetische Eingriffe ihre Fähigkeiten zu steigern. Die damit verbundenen ethischen Fragen werden jedoch kaum angerissen. Rachel Weisz lässt das Drehbuch keinen Raum zu, um über ihre Rolle in dieser Versuchsreihe nachzudenken. Ebenso wenig Entwicklungspotenzial besitzt die Rolle des CIA-Agenten Eric Byer, sodass Edward Norton ziemlich eindimensional agiert. Allein Jeremy Renner vermag zu überzeugen: Der kalifornische Schauspieler stellt die zuletzt in „Mission Impossible – Phantom Protokoll“ und in „Marvels The Avengers“ belegte physische Präsenz und seine Action-Qualitäten erneut unter Beweis.
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