POMMES ESSEN | Pommes essen
Filmische Qualität:   
Regie: Tina von Traben
Darsteller: Luise Risch, Marlene Risch, Tabea Willemsen, Thekla Carola Wied, Anneke Kim Sarnau, Smudo, Jan Erik Madsen
Land, Jahr: Deutschland 2012
Laufzeit: 85 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 7/2012
Auf DVD: 2/2013


José García
Foto: farbfilm

Die anfänglichen dokumentarischen Schwarzweißbilder aus dem Ruhrgebiet künden vom Aufschwung. In der Zeit des Wirtschaftswunders wurde „Freys Feyner Imbiss“ am Duisburger Hafen zum Treffpunkt für hungrige Kumpels nach der Schicht. Zum Erfolg trug insbesondere auch die hauseigene Spezial-Currysoße nach Geheimrezept bei. Doch dann gehen die Bilder in Farbe über: Eine Generation später hat Frieda Frey (Anneke Kim Sarnau) zwar weiterhin das Exklusivrecht an der noch immer geheimen Soße, aber die Geschäfte laufen mehr schlecht als recht. Die Stammkundschaft ist mit den Zechenschließungen offenkundig ausgestorben. Zur heruntergekommenen Bude verirren sich nur noch hin und wieder Lkw-Fahrer. Um ihre drei Töchter Patty (Luise Risch), Lilo (Tabea Willemsen) und Selma (Marlene Risch) durchzubringen, muss sich die alleinerziehende Mutter ganz schön abhetzen. Kein Wunder, dass Frieda irgendwann einmal zusammenbricht. Der Arzt verordnet eine Kur, zu der die Mutter nur widerwillig fährt, nachdem ihr Patty versprochen hat, sich nicht nur um ihre jüngeren Schwestern Lilo und Selma, sondern auch um den Imbiss zu kümmern.

Unmittelbar nach Friedas Abreise überschlagen sich jedoch die Ereignisse. Ausgerechnet jetzt bekommt Patty ein Angebot, von dem sie lange geträumt hatte: Ein Sternerestaurant aus Düsseldorf bietet ihr ein Praktikum an. Dafür muss sie allerdings nicht nur die Schule schwänzen, sondern auch noch ihre jüngeren Schwestern mit der Imbissbude alleinlassen, was zu einer Katastrophe führt, aus der ihnen glücklicherweise die hemdsärmlige kroatische Schrottplatzbesitzerin Besjana (Thekla Carola Wied) heraushilft. Dank ihres Organisationstalents schaffen sie es darüber hinaus, sich zu einem Wettbewerb anzumelden, mit dem Zweitligist MSV Duisburg das offizielle Stadioncatering ausgelobt hat. Ein Wettbewerb mit gezinkten Karten, denn der Stadionmanager macht gemeinsame Sache mit dem Konkurrenten, Friedas Bruder Walther (Smudo), dem die Fast-Food-Kette „Pommes-King“ gehört. Diese unlautere Abmachung gilt freilich unter der Bedingung, dass Walther das Geheimrezept für die legendäre Soße seines verstorbenen Vaters bekommt. Nachdem Walther von seiner Schwester immer wieder eine Abfuhr erhalten hatte, will er Friedas Abwesenheit und vor allem Pattys Wunsch nach Unabhängigkeit nutzen: Nachdem sich Pattys Düsseldorfer Praktikum zerschlagen hat, bietet der „Pommes-King“-Besitzer seiner ältesten Nichte an, ihre Ausbildung zu finanzieren, wenn sie ihm das Soßen-Rezept verrät. Patty, die sich als die zentrale Figur in diesem Ensemblefilm herausstellt, steht vor einer schwierigen Entscheidung.

Bemerkenswert an ihrem Spielfilmdebüt ist, dass Tina von Traben nicht auf ein bekanntes Kinderbuch zurückgriff. Im Unterschied zu den meisten Kinder- und Jugendfilmen, die Literaturvorlagen für die große Leinwand adaptieren, womit die Filmemacher deren Fangemeinde als Zuschauer zu gewinnen hoffen, verfasste die Absolventin der „internationalen filmschule köln ifs“ das Drehbuch zusammen mit dem Kölner Kinderbuchautor Rüdiger Bertram selbst. Zu den Stärken von „Pommes essen“ gehört die Figurenzeichnung. Verkörpert Smudo den schmierigen Onkel noch an der Grenze zum Chargieren, so überzeugen nicht nur die Kinderdarsteller und vor allem Luise Risch als Patty, sondern insbesondere auch die inzwischen 67-jährige Thekla Carola Wied sowie Anneke Kim Sarnau als überforderte Mutter. Dass sie hauptsächlich im Fernsehen zu Hause sind, entspricht einer gewissen Fernsehästhetik und -dramaturgie von „Pommes essen“. Obwohl sich die Musik zu sehr in den Vordergrund drängt und die kurzen Zeichentrickeinlagen kaum eine dramaturgische Rolle spielen, überzeugt das Drehbuch von „Pommes essen“. Denn statt sich auf den Wettbewerb um den Stadion-Caterer zu konzentrieren, liefert dieser die Folie, auf der sich die Familienkonflikte entwickeln. Steht der fein herausgearbeitete Konflikt Pattys im Mittelpunkt, ihre Entscheidung für die Familientradition oder aber für ihre eigenen Ziele, die sie „in die große, weite Welt“ tragen würden, so findet diese Auseinandersetzung eine Spiegelung im lange schwellenden Konflikt zwischen Frieda und Walther, den Kindern des einstigen Imbiss-Gründers. Dass Walther trotz des „Pommes-King“-Imperiums mit seinen zwanzig Filialen in ganz Duisburg letztlich nicht glücklich ist und gegen die Solidarität der Familie seiner Schwester mit Geld nicht ankommt, liefert nebenbei ein Plädoyer für Familiensinn und gegen Materialismus.

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