REALITY XL - REALITÄT IST EIN TRAUM | Reality XL
Filmische Qualität:   
Regie: Tom Bohn
Darsteller: Heiner Lauterbach, Max Tidof, Godehard Giese, Annika Blendl
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 81 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
Auf DVD: 4/2012


José García
Foto: Schröder Medien

Die filmische Umsetzung der Frage nach der Realität dessen, was wir Wirklichkeit nennen, fand in Hollywoods Science Fiction-Actionkino insbesondere in „Matrix“ (Andy und Larry Wachowski, 1999) und neuerdings in Christopher Nolans „Inception“ (2010) ihren Ausdruck. Mit viel bescheidenerem Budget beschäftigte sich kürzlich der deutsche Film „Schilf – Alles, was denkbar ist, existiert“ (siehe Filmarchiv) mit der Theorie sogenannter Paralleluniversen, die von einem in Jena lehrenden Physikprofessor vertreten, von einem Wissenschaftler am CERN jedoch belächelt wird.

Das Europäische Institut für Kernforschung CERN spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in Tom Bohns Mystery-Thriller „Reality XL“, der nun als DVD veröffentlicht wird: Aus dem Kontrollraum des CERN-Teilchenbeschleunigers, an dem umstrittene quantenphysikalische Experimente seit Monaten stattfinden, verschwinden buchstäblich über Nacht 23 Wissenschaftler: Nach einer Nachtschicht fehlt von ihnen jede Spur. Einziger Überlebender ist der auf den Rollstuhl angewiesene Professor Konstantin Carus (Heiner Lauternach), der von Staatsanwalt Robin Spector (Max Tidof) und Kriminalpolizistin Sophia Dekkers (Annika Greta Blendl) an einem geheim gehaltenen Ort vernommen wird. Der Professor äußert dazu eine seltsam erscheinende Theorie über das, was gemeinhin Realität genannt wird. Vierter im ebenso seltsamen Verhörraum: der auf einem antiquierten Computer Protokoll führende Antoine (Godehard Giese). Die minimale Ausstattung mit ihrer surrealen Anmutung verwandelt „Reality XL“ in ein Kammerspiel für vier Schauspieler. Außergewöhnlich an Tom Bohns Film ist aber nicht nur die grandiose Wendung am Filmschluss, die aus den abstrusen Theorien eine Frage der „letzten Dinge“ macht. Darüber hinaus realisierte Drehbuchautor und Regisseur Tom Bohn „Reality XL“ als regelrechte Independent-Produktion ohne jegliches öffentliches Geld und im Selbstverleih – eine Ausnahmeerscheinung im deutschen und europäischen Kino.

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Interview mit Regisseur Tom Bohn

Ein Science-Fiction-Film aus Deutschland hat schon Seltenheitswert – wie sogenannte Genre-Filme im Allgemeinen. Wie kamen Sie auf den Gedanken, „Reality XL“ zu drehen?

Mich interessiert von eh’ her das Thema: „Woher komme ich, wohin gehe ich, woraus bin ich gemacht.“ Als ich mich mit dem CERN und dessen Forschungen beschäftigt habe, war mir klar, dass da ein sehr dankbarer Stoff auf mich und mein Team wartet. Ich würde „Reality XL“ übrigens nicht als Science Fiction, sondern eher als Mystery-Thriller bezeichnen.


Ebenso selten sind deutsche Filme, die ohne öffentliche Förderung und Beteiligung von Fernsehsendern entstehen. Was war für Sie der ausschlaggebende Grund, „Reality XL“ privat zu finanzieren?

Mir war klar, dass ich für dieses Thema keinerlei Unterstützung der etablierten Institutionen erhalten würde. Es wäre reine Zeitverschwendung gewesen es zu probieren, denn Thema und Machart sind zu außergewöhnlich für unsere Filmentscheider. Als Filmemacher ernten Sie in der Regel ein sanftes Kopfschütteln, wenn Sie Themen vorschlagen, die außerhalb des typischen deutschen Problem- und Komödienstadels sind.


Wie haben Sie trotzdem so bekannte Schauspieler wie Heiner Lauterbach und Max Tidorf für das Projekt gewinnen können?

Ich habe ihnen einfach das Drehbuch geschickt und sie lesen lassen. Die Zusagen kamen sofort.


Ist die karge Ausstattung eine Folge eines niedrigen Budgets, oder gehört dies zum Konzept des Traumhaften?

Beides. Wir mussten eine Ebene schaffen, die anders ist als die uns gewohnte. Auf Pompöses hatten wir keine Lust – das können die Amerikaner besser. Also wählten wir den spartanischen Weg.


Finden Sie als Filmemacher eine gewisse Genugtuung, den Zuschauer zunächst einmal in eine bestimmte Richtung zu lenken und dann dessen Erwartungen zu unterlaufen, oder steckt mehr dahinter, etwa zum Nachdenken anzuregen?

Genugtuung ist vielleicht das falsche Wort. Ich denke, dass man seine Zuschauer unterhalten muss, wenn man mit Ihnen auf die Film-Reise geht. Und das schafft man nun mal auch mit überraschenden Wendungen. Zum Nachdenken anregen möchte ich eigentlich immer. Es gelingt mir halt nicht jedes Mal.


Außergewöhnlich an Ihrem Film ist es auch, dass darin über die „letzten Dinge“, d.h. darüber nachgedacht wird, dass der Mensch nach seinem Ableben über seine Taten Rechenschaft abzulegen hat. Stehen Sie damit nicht in Diskrepanz zum Zeitgeist?

Der Zeitgeist muss mir egal sein, wenn ich über das Zeitlose reflektiere. Alles andere endet im Irdischen und das würde in einem Film stören, der versucht einen Blick hinter das Gewohnte zu werfen. Für mich ist die Erde und das Leben auf ihr eine Zwischenstation ... eine sehr interessante und lehrsame. Ich spüre aber, dass mein Zuhause woanders ist.
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