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José GarcÃa Foto: Concorde Eine alte, offenbar verwirrte Frau bannt sich mühsam den Weg zur Kasse in einem Lebensmittelladen, um eine Packung Milch zu bezahlen. Vor der Theke drückt sie ein mit dem Handy telefonierender, junger Mann in Schlips und Kragen rücksichtslos zur Seite. Niemand dort nimmt Notiz von dieser gewöhnlich gekleideten Frau mit Kopftuch. Nur der Zuschauer erkennt in ihr einerseits die einstige âEiserne Ladyâ Margaret Thatcher, andererseits unter der Maske aber auch Meryl Streep, die wandlungsfähigste Schauspielerin des heutigen Kinos, die mit dieser Rolle jüngst ihren dritten Oscar gewann. In der Eingangsszene von âDie eiserne Ladyâ (âThe Iron Ladyâ) verdichtet Regisseurin Phyllida Lloyd die Mischung aus Politischem und Privaten, aus der ihr Spielfilm besteht. Denn Thatcher bekam den Schmähnamen âMilchdiebinâ, weil sie in den siebziger Jahren als Erziehungsministerin die unentgeltliche Schulmilch abgeschafft hatte. Der pausenlos telefonierende, die Ellenbogen einsetzende Anzugträger könnte wiederum für den skrupellosen Neoliberalismus stehen, mit dem Kritiker Thatchers Politik in Verbindung bringen. Die an Demenz leidende 86-jährige verdeutlicht freilich, dass sich Drehbuchautorin Abi Morgan und Regisseurin Phyllida Lloyd der historischen Figur vorwiegend über die menschliche Seite annähern. âDie eiserne Ladyâ erzählt in Rückblenden aus der politischen Karriere von Margaret Thatcher, wobei sich die Erinnerungen einer an Alzheimer Erkrankten, die etwa ihr Memoirenbuch versehentlich mit ihrem Mädchennamen Roberts signiert, selbstverständlich subjektiv gefärbt ausnehmen. In der Rahmenhandlung lebt die ehemalige Premierministerin in einer Wohnung am Londoner Chester Square noch mit ihrem Ehemann Denis Thatcher (Jim Broadbent), obwohl dieser eigentlich vor Jahren verstorben ist. Ihr Entschluss, sich von Denisâ Kleidung endgültig zu trennen, trägt nicht nur entscheidend dazu bei, seinen Tod zu verarbeiten, sondern löst darüber hinaus eine Reihe von Erinnerungen aus. Die junge (von Alexandra Roach dargestellte) Margaret, die noch Roberts heiÃt, strebt nach einem Oxford-Studium in die Politik. Die âKrämerstochterâ muss sich in einem Zirkel dünkelhafter älterer Herren zurechtfinden. Dabei kann sie auf die Hilfe des erfolgreichen Geschäftsmannes Denis Thatcher (Harry Lloyd) zählen, den sie bald heiratet. Einen ersten Höhepunkt nach den schnell geschnittenen ersten Jahren findet der Film in Thatchers Wahl zum Abgeordnetenhaus: Ein Kameraschwenk zeigt sie als einzigen Farbtupfer in einem regelrechten grauen (Männer-)Meer. Mit dem Filmsprung ins Jahr 1974 beginnt der Aufstieg der Politikerin Margaret Thatcher: Nach der Wahlniederlage der Konservativen wird sie im Februar 1975 als Parteivorsitzende gewählt. In ebenfalls schnell geschnittenen Sequenzen zeigt Phyllida Lloyd so etwas wie die (äuÃere) Entstehung von Margaret Thatcher: Der sie bis dahin begleitende Hut muss weg, dafür eine neue Frisur her. Und vor allem: Ihre Stimme soll nicht mehr schrill, sondern tiefer und überzeugender klingen. Nach dieser Verwandlung wird Thatcher im Mai 1979 zur ersten Premierministerin GroÃbritanniens. Eine Parallelmontage zeigt ihren Einzug in 10 Downing Street: Auf der einen Seite die Dokumentaraufnahmen, im Gegenschuss die fiktionalisierten Bilder mit Meryl Streep als die âEiserne Ladyâ. Obwohl der Falkland-Krieg 1982 und der Bergarbeiterstreik 1984/85 ebenfalls thematisiert werden, ist âDie eiserne Ladyâ kein Film über Thatchers Politik. Weil Drehbuchautorin Abi Morgan und Regisseurin Phyllida Lloyd Margaret Thatcher als Menschen in den Mittelpunkt stellen, können sie einfühlsam mit ihrer Figur umgehen, ohne deshalb die Politik der âEisernen Ladyâ gutzuheiÃen. Dennoch: Vermied es Stephen Frears in âDie Queenâ (siehe Filmarchiv), Kritik an der englischen Königin zu üben, so wird in âDie eiserne Ladyâ Thatchers Image als Feministin, die das Geschlecht von Politikern stets als irrelevant bezeichnete, einer Revision unterzogen: Nachdem sie etwa auf Denisâ Heiratsantrag antwortet, sie würde sich mit der Rolle der Ehefrau und Mutter nicht zufrieden geben, kann Lloyds Betonung der Abhängigkeit Thatchers zunächst von ihrem Vater und dann von ihrem Ehemann nicht anders denn als Aussage gedeutet werden, ihr Emanzipationsbestreben sei letztlich gescheitert. Inwieweit âDie eiserne Ladyâ die Wahrnehmung der einstigen Premierministerin mehr als zwei Jahrzehnte nach deren Rücktritt beeinflussen wird, lässt sich noch nicht sagen. Eins steht aber fest: âDie eiserne Ladyâ ist ein Film nicht nur über Margaret Thatcher, sondern ebenso auch über Meryl Streep beziehungsweise über die Verwandlungsfähigkeit der amerikanischen Schauspielerin. Zwar trägt die Arbeit der für Kostüme und Make-Up verantwortlichen Consolata Boyle, J. Roy Helland und Marese Langan wesentlich dazu bei. Wie aber Meryl Streep nicht nur den Tonfall der Premierministerin, sondern auch die Körpersprache einer gebrechlichen, dementen Frau darstellt, kann nur als atemberaubend bezeichnet werden. |
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