JONAS | Jonas
Filmische Qualität:   
Regie: Robert Wilde
Darsteller: Christian Ulmen, Schüler und Lehrer der Musikbetonten Gesamtschule Paul Dessau, Zeuthen
Land, Jahr: Deutschland 2011
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 1/2012
Auf DVD: 7/2012


José García
Foto: Delphi

Alle Jahre wieder zur Winterzeit: An etlichen Universitäten wird Jahr für Jahr „Die Feuerzangenbowle“ (Helmut Weiss, 1944) meistens mit „Event“-Charakter vorgeführt. Die verklärte Sicht auf die Schulzeit begeistert noch heutige Generationen. Obwohl nicht so alt wie Dr. Johannes beziehungsweise Hans Pfeiffer („mit drei F, ein F vor dem Ei, zwei F hinter dem Ei“) alias Heinz Rühmann, erlebt „Jonas“ im gleichnamigen Spielfilm von Robert Wilde Ähnliches. Der 18-jährige, mehrfache Sitzenbleiber bekommt in der Brandenburger Gesamtschule Paul-Dessau eine allerletzte Chance auf seinen Schulabschluss: Er muss in einer 10. Klasse mit deutlich jüngeren Mitschülern etwa Mathematikaufgaben lösen. Wobei mit seinen 36 Jahren Jonas-Darsteller Christian Ulmen freilich im selben Alter stehen dürfte wie der von Heinz Rühmann verkörperte Hans Pfeiffer.

Christian Ulmen ist jedoch der einzige Schauspieler in diesem „filmischen Experiment“. Denn „Jonas“ wurde als „Dokufiktion“, als eine Art Mischform von Fiktion und Dokumentation, während des normalen Unterrichts in einer 10. Klasse der Gesamtschule in Zeuthen nahe Berlin, mit den echten Lehrern und den echten Schülern, gedreht. Laut Filmproduktion waren sowohl die Schuldirektion als auch die Lehrer, nicht aber die Schüler eingeweiht. Ihnen wurde lediglich gesagt, dass der „Neue“ für eine Reportage von einer Kamera begleitet werden sollte. Zu Beginn werden denn auch nach und nach die Namen und Fächer der jeweiligen Lehrer, etwa Frau Schröder LER, Frau Maschke Musik, Herr Look Mathematik, eingeblendet. Im Unterschied zu Laurent Cantets Spielfilm „Die Klasse“ (siehe Filmarchiv), der bei seiner Schilderung des Alltags in einer Pariser Schule ebenfalls echte Schüler trotz Improvisation einem festgelegten Drehbuch folgen ließ, wurde „Jonas“ nicht nach einem fertigen Drehbuch gedreht. Dazu führt Drehbuchautor Johannes Boss aus: „Jonas ist ein Film ohne Drehbuch, und doch gibt es eines. Das Drehbuch kommt mit vielen Stimmen, trägt viele Ranzen. Jonas Geschichte setzt sich zusammen aus dem Mosaik seiner Begegnungen, wird erzählt von Ethiklehrerin Schröder, Klassenkamerad Max und dem einsetzenden Winter in Dahme-Spreewald.“

Das „filmische Experiment“ setzt sich aus vielen Impressionen zusammen. Kameramann Frank Lamm hatte drei Kameras zur Verfügung, die allerdings kaum die Schule verlassen, mit Ausnahme etwa einer abendlichen Feier, in der der Alkohol reichlich fließt. Der Schnitt von David Gruschka arrangiert das umfangreiche Material immer wieder zu schnell geschnittenen Sequenzen, die den Alltag des „Schülers“ Jonas mosaikartig wiedergeben: Auf den Unterricht und die Pause folgt etwa der Besuch der Schulkantine. Eine Art roter Faden besteht einerseits in den Schwierigkeiten Jonas mit dem Fach Mathematik. Dazu Christian Ulmen: „Natürlich war klar, dass ich kein Mathe kann – da war der Konflikt mit dem Mathelehrer logischerweise vorprogrammiert.“ Als weiterer roter Faden dient, dass sich Jonas in die Musiklehrerin Frau Maschke verliebt, was teilweise zu komischen Situationen, aber auch zur Gründung einer Schüler-Musik-AG führt. Auf diese Art und Weise entsteht nicht nur eine Art Nebenstrang, der Abwechselung in die Handlung bringt. Darüber hinaus kann Ulmen seine Musiktalente in den Film einbringen. Als schöner Nebeneffekt tritt die „Band-AG“ auf einer professionell aufgebauten Bühne sozusagen mit einem Dankeschön-Konzert dafür auf, dass die Schule bei diesem „filmischen Experiment“ mitgemacht hatte. Außerdem bleiben den Schülern auch die Erinnerungsfotos, die zwischendurch gemacht werden.

„Jonas“ erzählt zwei sich ergänzende Geschichten: Zum einen handelt der Film, dem Untertitel „Stell Dir vor, es ist Schule, und Du musst wieder hin!“ getreu, von den Ängsten, die etwa an der Tafel oder bei einer Klassenarbeit viele Menschen in ihrer Schulzeit ausgestanden haben. Zum andern gewährt der Film einen Einblick in den ganz normalen Schulalltag und in die Gefühlswelt pubertierender Schüler. Über die komödiantischen Elemente hinaus werden dadurch auch Fragen etwa der Erziehung und auch des Glaubens angesprochen. „Es wäre toll, wenn ich an Gott glauben könnte“, heißt es etwa in einem Streitgespräch mit der agnostischen Ethik-Lehrerin. In Wildes Film fällt eine Normalität im schulischen Alltag ins Auge, die den in letzter Zeit von den Medien präsentierten Meldungen über Mobbing oder Cybermobbing gegensätzlicher kaum sein könnte. Inwieweit es sich allerdings um „die Realität“ oder um eine von der besonderen Situation der Filmentstehung beeinflusste Wirklichkeit handelt, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
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