IM WELTRAUM GIBT ES KEINE GEFÜHLE | I rymden finns inga känslor
Filmische Qualität:   
Regie: Andreas Öhman
Darsteller: Bill Skarsgård, Martin Wallström, Cecilia Forss, Sofie Hamilton, Susanne Thorson, Kristoffer Berglund, Jimmi Edlund, Per Andersson
Land, Jahr: Schweden 2010
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 11/2011


José García
Foto: Arsenal

Von am Asperger-Syndrom, einer milden Autismus-Variante, leidenden jungen Männern handelten in den vergangenen Jahren manche Spielfilme, von Nic Balthazars „Ben X“ über „Adam“ von Max Mayer bis Karan Johars „My Name is Khan“. Im Mittelpunkt dieser Spielfilme stehen die Kommunikationsstörung sowie die stereotypen Tätigkeiten, die zum Krankheitsbild gehören. In seinem Spielfilmdebüt „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“ versinnbildlicht der erst 26- jährige schwedische Regisseur Andreas Öhman die durch das Unverständnis für zwischenmenschliche Interaktionen verursachte Isolierung der Menschen mit Asperger-Syndrom dadurch, dass sich der 18-jährige Simon (Bill Skarsgård) in seinem Zimmer in einer Blechtonne einkapselt, die ihm als Raumkapsel für seine „Reise durch den Weltraum“ dient. Dort fühlt er sicher, weil es im Weltraum etwas nicht gibt, was Simon verwirrt: menschliche Gefühle.

Simon braucht außerdem immer wiederkehrende Muster in seinem Leben: immer der gleiche Tagesablauf, die gleichen Mahlzeiten, die gleiche Kleidung – alles hat einem wöchentlichen Rhythmus zu folgen. Dafür hat bisher immer sein Bruder Sam (Martin Wallström) gesorgt. Er hat Simon Essen in Kreisform gekocht und ihm geholfen, die Menschen zu verstehen. Mit alldem ist es jedoch auf einmal vorbei, als Sam von seiner Freundin Frida (Sofie Hamilton) verlassen wird. Sam ist über die Trennung so deprimiert, dass alles ins Wanken gerät und Simons Welt ins Chaos stürzt. Damit alles wieder normal wird, macht sich Simon auf eine Mission: Eine neue Freundin für Sam zu finden. Unglücklicherweise weiß Simon nichts von der Liebe und versteht auch nichts von Gefühlen, aber er hat einen wissenschaftlich todsicheren Plan. Nach mehreren Anläufen trifft seine Wahl auf die exzentrische Jennifer (Cecilia Forss), die eigentlich kaum zu Sam zu passen scheint, dafür aber Simon so akzeptiert, wie er ist.

In der Inszenierung seines Filmes konzentriert sich Regisseur Andreas Öhman auf Simons subjektive Sicht. Dazu führt er aus: „Ich wollte einen Film über Simon machen. Nicht über seinen Bruder, der auf ihn aufpasst. Nicht über seine Eltern, die nicht wissen, wie sie mit ihm umgehen sollen. Ich wollte einfach, dass der Film von Simon handelt und uns die Chance gibt, die Welt aus seiner Perspektive zu sehen.“ Diese Perspektive zeigt sich bis in die eingeblendeten grafischen Element hinein, die etwa an Marc Forsters „Schräger als Fiktion“ (2006) erinnern. Damit illustriert der Film auf vergnüglich-verspielte Weise Simons eigenwillige Gedankenwelt, ohne ihn allerdings zu psychologisieren. Diese schablonenhaften Skizzen stimmen darüber hinaus mit der leicht psychedelischen Einrichtung und der bunt-eigensinnigen Kleidung überein, die nicht nur Simon trägt.

Andreas Öhman zitiert zwar von Barry Levisons „Rain Man“ (1988) bis „Ben X“ bekannte Spielfilme über Autismus beziehungsweise Asperger-Syndrom. Der schwedische Nachwuchs-Regisseur findet jedoch zu seinem eigenen Stil insbesondere dank eines lakonischen Humors mit interessanten Beobachtungen am Rande, ob nun ein Polizist Eis schleckt oder in einem Polizeiauto ein Clown sitzt. Die teilweise an der Grenze zum Slapstick stehende oder ins Absurde gleitende Situationskomik teilt Öhmans „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“ mit etlichen skandinavischen Filmen. Wie so oft bei schwedischen oder norwegischen Filmen steht in Öhmans Spielfilmdebüt ein Außenseiter im Mittelpunkt, der jedoch nicht als Sonderling gezeichnet wird, sondern auf den der Regisseur einen wohlwollenden Blick wirft. Die in keinem Augenblick in Rührseligkeit umschlagende Warmherzigkeit erlaubt es dem Regisseur, ein ernstes Thema mit leichter Hand zu behandeln, ohne seine Hauptfigur der Lächerlichkeit preiszugeben.

Regisseur Öhman findet darüber hinaus ein eindrucksvolles Gleichgewicht zwischen komischen Augenblicken und einer der Ernsthaftigkeit des Themas angemessenen Nachdenklichkeit, womit er einen Charakter erschafft, der sich als in Öhmans Worten „komisch und schlicht und doch sehr komplex“ herausstellt. Indem der Nachwuchsregisseur manche Klischees umschifft und intelligenterweise Einiges offen lässt, schafft er eine teilweise skurrile, insgesamt aber schöne Liebeskomödie, die sich von den üblichen „Teenager“- Komödien wohltuend abhebt.

„Im Weltraum gibt es keine Gefühle“ gewann den Publikumspreis beim Palm Springs International Film Festival und wurde in vier Kategorien und den schwedischen Filmpreis nominiert. Andreas Öhmans Film wurde darüber hinaus als Schwedens Kandidat für den besten nicht-englischsprachigen Oscar 2011 ausgewählt.
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