CONTAGION | Contagion
Filmische Qualität:   
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Marion Cotillard, Matt Damon, Laurence Fishburne, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Kate Winslet, Bryan Cranston, Jennifer Ehle, Saana Lathan
Land, Jahr: USA 2011
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2011
Auf DVD: 2/2012


José García
Foto: Warner Bros.

Erdbeben, Vulkanausbrüche, Kernkraftwerksexplosionen, Erdkrustenverschiebungen – Das Kino hat den drohenden Weltuntergang auf etliche Art und Weise inszeniert, zuletzt in Lars von Triers Spielfilm „Melancholia“ (siehe Filmarchiv) durch den Zusammenprall des gleichnamigen Planeten mit der Erde. Zu den apokalyptischen Szenarien des Katastrophenfilms gehört der „Seuchenfilm“ als eine Art Subgenre dazu, wobei Wolfgang Petersens „Outbreak – Lautlose Killer“ (1995) wohl der bekannteste sein dürfte.

Drohte im Jahre 1995 ein afrikanisches Virus, sich auf die ganzen Vereinigten Staaten auszubreiten, so ist die Gefahr im nun anlaufenden Spielfilm „Contagion“ von Steven Soderbergh zu einer buchstäblich globalen Gefahr geworden. Die Todesfälle durch das grippenähnliche Virus verbreiten sich gleichzeitig über die ganze Welt. Auf schwarzer Leinwand hört der Zuschauer bereits ein trockenes Husten, das zu Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) gehört, die mit grippeähnlichen Symptomen von einer Geschäftsreise aus Hongkong zurückkommt. In der ehemals britischen Kolonie torkelt ein junger Mann durch die Straßen, während in London eine junge Frau unter Schweißausbrüchen leidet, ehe sie in einem Hotelzimmer tot aufgefunden wird. In Tokio bricht ein gerade mit dem Flugzeug angekommener Mann in einem Bus zusammen. Die Einblendung der Einwohnerzahl in der jeweiligen Stadt sowie der Tage seit Ausbruch der Seuche veranschaulichen deren potentielle Ausbreitung.

Zwar nimmt Beths Mann Mitch Emhoff (Matt Damon) aus Minneapolis eine zentrale Rolle ein, die dem Zuschauer eine Identifikationsfigur liefert. Dennoch bleibt „Contagion“ ein Ensemblefilm, der eine Vielzahl von Charakteren und Schauplätzen miteinander verschränkt: In der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC koordiniert Dr. Ellis Cheever (Laurence Fishburne) die fieberhafte Suche nach dem Code des ständig mutierenden Erregers in den Labors der unangepassten Dr. Ally Hextall (Jennifer Ehle) sowie die Feldarbeit der mutigen Ärztin Dr. Erin Mears (Kate Winslet), während die Weltgesundheitsorganisation in Genf die Epidemiologin Dr. Leonora Orantes (Marion Cotillard) nach Hongkong schickt, um den Ursprung des Erregers zu finden. Versucht Dr. Cheever die Öffentlichkeit zu beschwichtigen, so entfacht der Blogger Alam Krumwiede (Jude Law) dadurch eine Massenpanik, dass er die Regierung gezielter Falschinformation zeiht und ein homöopathisches Heilmittel als Impfstoff anpreist.

All diese Handlungsstränge werden von einem hervorragenden Schnitt in hohem Rhythmus miteinander verknüpft. Die von Soderbergh selbst unter dem Pseudonym Peter Andrews geführte Kamera bevorzugt blaue Töne, die zusammen mit der wirkungsvollen Filmmusik von Cliff Martinez der Handlung eine nüchterne, beklemmende Anmutung verleiht. Zur schaurigen Stimmung tragen sowohl die dokumentarisch anmutenden Bilder der Forschungslabors, einer leeren Flughafenhalle oder einer ebenso menschenleeren Straße, in der sich der Müll auftürmt, entscheidend bei. Zum visuellen Konzept von „Contagion“ gehören ebenfalls die Großaufnahmen der Gegenstände, durch die sich das Virus überträgt: ein Glas, eine Kreditkarte, eine Türklinke, eine Bus-Haltestange, aber auch ein Händedruck oder eine flüchtige Berührung.

Dass „Contagion“ früheren Seuchenfilmen wie Petersens „Outbreak – Lautlose Killer“ inhaltlich wenig Neues hinzufügt, kann kaum als Schwäche ausgelegt werden. Schwerer wiegt es indes, dass die moralischen Konflikte, die eine solche Katastrophe bei den verschiedenen Charakteren auslöst, gerade wegen der Vielzahl an Figuren kaum angerissen werden. Am ehesten exemplifiziert es der Film am selbsternannten Journalisten Krumwiede, dessen Verschwörungstheorien als Auslöser für Massenpanik dargestellt werden – „Nichts verbreitet sich schneller als Angst“ lautet denn auch der deutsche Untertitel von „Contagion“. Mit moralischen Konflikten werden jedoch so gut wie alle anderen Hauptfiguren konfrontiert: Wo endet für die von Kate Winslet verkörperte Ärztin Engagement, wo beginnt Leichtsinn? Eine Frage, die sich nicht nur sie, sondern auch ihr Vorgesetzter zu stellen hat, der sie dieser Ansteckungsgefahr aussetzen muss. Wie soll angesichts der erst langsam anspringenden Impfstoff-Produktion vorgegangen werden? Werden da wieder Unterschiede, etwa zwischen Menschen aus der ersten und aus der Dritten Welt, gemacht? Wie soll sich ein Verantwortlicher, der offiziell vor Panikmache warnen muss, angesichts seines Insiderwissens gegenüber seinen eigenen Angehörigen verhalten?

Im rasanten Tempo, mit dem „Contagion“ von einem Schauplatz zum nächsten führt, bleibt leider kaum Zeit und angesichts der vielfältig erscheinenden Fragen wohl auch kaum Raum für diese Überlegungen. Trotz der Virtuosität, mit der Soderbergh seine Story inszeniert, entlässt deshalb sein Film den Zuschauer mit gemischten Gefühlen.
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