SHANGHAI | Shanghai
Filmische Qualität:   
Regie: Mikael Håfström
Darsteller: John Cusack, Gong Li, Chow Yun-Fat, David Morse, Franka Potente, Ken Watanabe, Jeffrey Dean Morgan, Rinko Kikuchi, Benedict Wong
Land, Jahr: USA / China 2010
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Thriller
Publikum:
Einschränkungen: G ++
im Kino: 9/2011
Auf DVD: 2/2012


José García
Foto: Senator

Shanghai, Ende 1941. Obwohl in der ostchinesischen Handelsmetropole Briten, Franzosen und US-Amerikaner noch eigene, exterritoriale Verwaltungsbezirke besitzen, in denen auch in den Jahren 1938–1939 etwa 18 000 Juden aus Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern Zuflucht gefunden hatten, ist die Stadt von den japanisch-chinesischen Streitigkeiten geprägt: November 1937 hatte die japanische Armee Shanghai bis auf die exterritorialen Gebiete eingenommen. Daraufhin hatten sich im „International Settlement“ ebenfalls chinesische Flüchtlinge angesiedelt. In dieser unübersichtlichen Lage mitten im Zweiten Weltkrieg, die sich am 7. Dezember 1941 im Angriff japanischer Flugzeuge auf die in Pearl Harbor vor Anker liegende Pazifikflotte der Vereinigen Staaten entladen sollte, gedeihen die chinesischen Drogenkartelle. Dort tummeln sich aber auch deutsche, amerikanische und japanische Spione.

Mikael Håfströms nun im Kino anlaufender Spielfilm „Shanghai“ beginnt mit der Ankunft des amerikanischen Geheimagenten Paul Soames (John Cusack) in der chinesischen Hafenstadt, um den Mord an seinem Freund Connor (Jeffrey Dean Morgan) aufzuklären, der in Shanghai als amerikanischer Spion arbeitete. Die Frau des deutschen Konsuls Leni Müller (Franka Potente), mit der Soames in seiner Berliner Zeit eine Affäre hatte, vermittelt ihm die Bekanntschaft mit zwei der mächtigsten Männern in Shanghai: dem japanischen Geheimdienstoffizier Tanaka (Ken Watanabe) und dem chinesischen Mafiaboss Anthony Lan-Ting (Chow Yun-Fat). Soames lernt ebenfalls die attraktive Frau Lan-Tings Anna (Gong Li) kennen, die offenbar Verbindungen zum chinesischen Widerstand unterhält.

Nachdem sich Soames endlich mit Connors Kontaktmann in der japanischen Botschaft Benedict Wong in Verbindung gesetzt hat, entdecken die beiden im Haus seines Freundes eine versteckte Dunkelkammer. Darin befinden sich nicht nur zahlreiche Aufnahmen von japanischen Schiffen wie dem Flugzeugträger Kaga, sondern auch von Tanaka sowie von Lan-Ting und dessen Frau Anna. In Connors geheimer Dunkelkammer hängen darüber hinaus Fotos von einer jungen Japanerin. Von Wong erfährt Soames ihren Namen, Sumiko (Rinko Kikuchi). Soames findet heraus, dass sie die Geliebte sowohl von Connor als auch von Tanaka war. Offensichtlich setzte sein Freund die junge Sumiko ein, um die Japaner auszuspionieren. Dafür versprach er ihr, sie aus dem von den Japanern besetzten Teil der Stadt in ein sicheres exterritoriales Gebiet zu bringen. Dazu kam Connor jedoch nicht mehr, denn er wurde niedergeschossen. Soames muss unbedingt Sumiko finden.

Die Handlung von Mikael Håfströms „Shanghai“ nimmt sich, insbesondere auch wegen der Figurenvielfalt und der unterschiedlichen Interessen recht komplex aus. Das Intrigenspiel vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges erinnert unweigerlich an „Casablanca“ (Michael Curtiz, 1942). Trafen sich in „Rick's American Café“ in Casablanca Flüchtlinge auf der Suche nach einem rettenden Ausreisevisum, so versucht in „Shanghai“ ein Liebespaar, in letzter Minute aus dem besetzten China zu entkommen, bevor die Stadt untergeht. Die Rolle Gong Lis als Geliebte eines Bandenchefs gemahnt jedoch darüber hinaus an Zhang Yimous „Shanghai Serenade“ (1995), in dem die bekannte chinesische Schauspielerin im Shanghai der dreißiger Jahre ebenfalls die Maitresse eines Mafiabosses verkörperte. Ähnlich Zhang Yimous Film ahmt Håfströms „Shanghai“ die Bildästhetik der dreißiger und vierziger Jahre nach: Strömender Regen und schattenhafte Gestalten gehören zusammen mit der bis in die Details sorgfältig komponierten Ausstattung zu der Optik des sogenannten „Film noir“. Die kommentierende Off-Stimme vervollständigt die Anmutung des Retro-Stils von „Shanghai“.

Die klaustrophobische Enge der von huttragenden, vorbeieilenden Menschen bevölkerten, dunklen Straßen, in denen die schrillen Neonlichtschilder auf verruchte Orte der Dekadenz hinweisen, gehört ebenfalls zu den Merkmalen des „Film noir“. Ähnlich den Filmen der „Schwarzen Serie“ ist „Shanghai“ in einer Welt des moralischen Verfalls voller Drogen, Intrigen und Verrat angesiedelt, in der es dem Protagonisten in keinem Augenblick leicht fällt zu wissen, wen er trauen kann. Die Ästhetik ist aber auch eine Metapher für das Labyrinth, in das die lasterhaften und moralisch fragwürdigen Figuren verstrickt sind. Der schwedische Filmregisseur Mikael Håfström liefert damit eine Hommage an ein klassisches Filmgenre, das sich eher auf die Charakterisierung der Figuren als auf die Handlung konzentrierte.

Über die Charakterzeichnung hinaus, bei denen alle Figuren ein Doppelspiel spielen, in dem Rache und Eifersucht zutage treten, legt „Shanghai“ jedoch auch Wert auf eine Handlung, die im Stil eines Thrillers mit dem Zuschauer ein Katz-und-Maus-Spiel treibt.
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